Was uns zum Durchatmen zwingt



— Kann einfach alles und nichts so bleiben. Bitte. —


Bald sind wir im dritten Jahr Corona. Im Dritten. Und ich fühle mich…. gut. Im Gegensatz zu so vielen anderen fehlt mir weder etwas noch jemand wirklich mehr, als vor der Pandemie. Es fehlt mir nicht, mit anderen im Kino zu sitzen. Es fehlt mir nicht, Smalltalk zu führe oder mich mit Zufallsbegegnungen zu unterhalten. Über dies und das, Corona ja. Alles Mist. Es fehlt mir nicht, Leute anzulächeln, die ich eigentlich gar nicht anlächeln möchte, Maske sei Dank. 

Aber was ist für andere gut oder nicht gut und was für mich? Es gibt Momente, in denen ich mich im Umgang mit Menschen ausgelaugt fühle. Ich habe keine Abneigung gegen sie. Ich mag meine wenigen engen Freunde und verbringe gerne Zeit mit ihnen. Aber ich finde die meisten sozialen Situationen anstrengend. Mir wurde während des Lock-Downs zum ersten Mal das schlechte Gefühl genommen, diese Verschnaufpause von Menschen als etwas Negatives anzusehen, wenn ich doch glücklicher bin. Warum bereite ich mir so viel Stress mit der Jagd um soziale Akzeptanz?

Mit Corona fing ich an, ganz von zu Hause aus zu arbeiten. Ich habe Büros immer als unerträglich empfunden, und jetzt weiß ich auch warum. Es lag nicht an der Arbeit. Es waren die Menschen. Eigentlich weiß ich schon lange, dass mir das nicht guttut, warum musste erst ein Virus kommen um herauszufinden, was ich wirklich brauche? Ich zwang mich, in Meetings zu lächeln, auch wenn ich nach Hause kam und vor Erschöpfung weinte. Sich als „Macher“ ausgeben und dabei beschissen fühlen – dieses Gefühl ließ mich lange an eine persönliche Schwäche glauben, die ich meinte, beheben zu müssen. Auch jetzt gleicht sich in meinem Kopf noch immer gesellig und kontaktfreudig mit Erfolg und sozial angenehm. Samstagabends zu Hause sitzen oder am Sonntag im Wald spazieren gehen? Langweilig. Zeit allein zu verbringen und sich damit gut zu fühlen bleibt etwas für wunderliche Kauze und Zärtlinge!

Wie für so viele hat sich auch mein und unser Leben verändert. Wir sehen nur noch uns, enge Freunde und gelegentlich unsere Nachbarn, die im Haus nebenan wohnen. Meine Frau ist eine von so vielen, die täglich ins Büro fahren muss und so mache ich mir ständig Sorgen um ihre und unsere Gesundheit. Zurecht. Einmal mussten wir bereits erkennen, wie schnell unser behütetes zu Hause ein Krankenlager wurde, aller Vorsicht, Abstand und Maßnahmen zu trotz. Die Angst bleibt, dass es wieder passiert, diesmal nicht so mild, wie es immer heißt. Die Folgen sind noch gar nicht abzusehen, auch bei uns nicht.

Ich weiß, dass diese verordnete Einsamkeit endlich zum Durchatmen zwingt – und darin liegt vielleicht auch ein Geschenk (wenn ich es inmitten dieser seltsamen Zeiten und Menschen, die sterben so nennen kann). Nämlich Zeit zu haben, uns nicht weiter hinter unserem Alltag und vollen Terminkalendern zu verstecken, sondern mal darüber nachzudenken, wer wir sind, was wir fühlen und was wir wollen. Vielleicht sind diese Zeiten genau das, was wir brauchen, um endlich unser Leben neu zu ordnen. Die Welt wird sich schon bald wieder viel zu schnell weiterdrehen. Und für alle, die sich das wünschen, wünsche ich mir das auch! Kann einfach alles und nichts so bleiben. Bitte.

#nowplaying 

TENSNAKE · Tensnake feat. Fiora – Nightshift

 

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